Das Parlaments-ABC – Teil III

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Geschäftsordnung

Die Abgeordneten können selbst bestimmte Regeln für ihre Arbeit im Bundestag festlegen, indem sie sich eine Geschäftsordnung geben (Art. 40 GG). In der Geschäftsordnung finden sich Vorschriften über den Ablauf und die Organisation der parlamentarischen Arbeit, die natürlich mit den übrigen Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar sein müssen. In der Praxis übernehmen die neu gewählten Abgeordneten für gewöhnlich die Geschäftsordnung des vorherigen Bundestages.

Gesetzentwürfe 

Gesetze, die für alle Menschen in Deutschland gelten sollen, müssen vom Bundestag verabschiedet werden. Jeder Gesetzentwurf wird in drei Sitzungen, an denen alle Abgeordneten teilnehmen können, besprochen. Die Einheiten werden als „Lesungen“ bezeichnet. Bei der ersten Lesung wird das politische Anliegen des neuen Gesetzes vorgestellt und diskutiert. Nach der ersten Lesung wird der Gesetzentwurf an die Ausschüsse übergeben, in denen sich Politiker:innen und Expert:innen sich detaillierter mit den neuen Regelungen beschäftigen und dem Parlament Vorschläge für Änderungen machen. Diese und andere Änderungsvorschläge sind Grundlage der zweiten Lesung im Bundestag. Je nachdem, ob nach der zweiten Lesung weiterer Diskussionsbedarf besteht, findet entweder direkt im Anschluss oder frühestens zwei Tage später die dritte Lesung des Gesetzentwurfs statt. Nach der dritten Lesung wird der Entwurf an den Bundesrat als Vertretung der Länder weitergeleitet. Legt der Bundesrat keinen Einspruch ein bzw. stimmt dem Gesetz zu, kann der Entwurf vom Bundespräsidenten ausgefertigt und als Gesetz offiziell verkündet werden.

Große Anfrage

Mit einer Großen Anfrage können Fraktionen oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten des Bundestages die Bundesregierung auffordern, Antwort auf wichtige politische Fragen zu geben. Die Bundesregierung beantwortet die Anfrage schriftlich, auf Wunsch der Fragesteller:innen kann aber auch eine Debatte im Bundestag stattfinden. Verweigert die Bundesregierung eine Antwort, kann der Bundestag die Anfrage auf die Tagesordnung für die nächste Sitzung setzen. Große Anfragen sind vor allem ein Mittel der Opposition, um die Regierung zu kontrollieren.

Gruppe 

Abgeordnete, die gemeinsame politische Ziele verfolgen, aber nicht die Größe einer Fraktion erreichen, können im Bundestag eine Gruppe bilden. Gruppen haben ähnliche Rechte wie eine Fraktion, beispielsweise bei der Besetzung von Ausschüssen und Redezeiten im Bundestag. Anders als Fraktionen ist es Gruppen nicht möglich, namentliche Abstimmungen im Parlament zu verlangen oder ein Regierungsmitglied einzuberufen (Zitierrecht). 

Hammelsprung

Es kann passieren, dass Uneinigkeit über das Ergebnis einer Abstimmung im Bundestag besteht oder Abgeordnete anzweifeln, dass für eine Abstimmung genug Parlamentarier:innen anwesend sind. In solchen Situationen können die Stimmen gezählt werden, indem die Abgeordneten den Sitzungssaal verlassen und durch drei Türen – „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ – wieder betreten. Woher das Wort „Hammelsprung“ als Name für diese Zählmethode kommt, ist nicht abschließend geklärt.

Immunität

Begehen Abgeordnete eine Straftat, kann diese Tat nur mit Genehmigung des Bundestages verfolgt werden – ansonsten sind die Abgeordneten während ihrer Mitgliedschaft im Parlament „immun“ gegen staatliche Strafverfolgung. Damit soll verhindert werden, dass Abgeordnete aus politischen Motiven verdächtigt werden und der Bundestag dadurch in seiner Arbeit behindert ist. 

Indemnität

Anders als die Immunität schützt die Indemnität nicht die Arbeit des Bundestages insgesamt, sondern gerade die Freiheit der einzelnen Abgeordneten. Abgeordnete dürfen weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments – etwa in einem Gerichtsverfahren – für Äußerungen im Bundestag oder ihr Verhalten bei Abstimmungen verfolgt werden. 

Initiativrecht

Das Recht, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Ein Initiativrecht haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Der Bundestag benötigt mindestens eine Fraktion oder fünf Prozent aller Abgeordneten, um sein Initiativrecht auszuüben. Die Bundesregierung kann nur als Ganzes einen Gesetzentwurf einbringen, der Bundesrat mit der Mehrheit seiner Stimmen.

Kleine Anfrage

Kleine Anfragen können ebenso wie Große Anfragen von Fraktionen oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten dazu genutzt werden, die Arbeit der Regierung zu kontrollieren. Sie werden anders als Große Anfragen grundsätzlich nicht im Bundestag diskutiert.

Koalition

Selten verfügt eine Partei bzw. Fraktion nach Wahlen allein über eine absolute Mehrheit im Bundestag, also mehr als 50% der Wähler:innenstimmen. Um eine stabile Regierung zu bilden, schließen sich deshalb mehrere Fraktionen zu einer Koalition zusammen. Sie bilden ein politisches Bündnis, das gemeinsame Ziele festlegt und verfolgt. Aus Mitgliedern der Koalitionsfraktionen setzt sich in aller Regel auch die Bundesregierung zusammen.

Konstruktives Misstrauensvotum

Genießt der:die Bundeskanzler:in nicht mehr das Vertrauen des Parlaments, können ihm:ihr die Abgeordneten ihr Misstrauen aussprechen. „Konstruktiv“ ist dieses Votum deshalb, weil die Abgeordneten nicht nur den:die bisherige Bundeskanzler:in abwählen können, sondern auch unmittelbar eine:n Nachfolger:in bestimmen müssen. Der:die Bundespräsident:in muss den:die vorgeschlagene Nachfolger:in ernennen. 

Legislaturperiode

Zeit des Bestehens des Bundestages – in der Regel vier Jahre. Die Legislaturperiode beginnt mit Zusammentreten des neuen Bundestages, spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl. Neuwahlen für den nächsten Bundestag finden frühestens 46, spätestens 48 Wochen nach der vorherigen Bundestagswahl statt.

Listenmandat

Die Abgeordneten des Bundestages setzen sich zur Hälfte aus Direkt- und zur Hälfte aus Listenmandaten zusammen. Parteien stellen zur Bundestagswahl Listen in den Bundesländern zusammen; erreicht die jeweilige Partei mehr als fünf Prozent der Stimmen (Fünfprozenthürde) oder mindestens drei Direktmandate, ziehen die Kandidat:innen auf der Liste nach ihrer Reihenfolge und dem Stimmanteil der Partei in den Bundestag ein.

Mehrheiten 

Es gibt verschiedene Regelungen dafür, mit welcher Mehrheit der Bundestag bei Wahlen und Abstimmungen entscheiden kann. Im Regelfall genügt eine einfache Mehrheit, d.h. die Mehrheit der tatsächlich abgegebenen Stimmen – Enthaltungen nicht mitgezählt (Art. 42 II 1 GG). Für eine absolute Mehrheit sind die Stimmen von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten nötig, also aller an sich Stimmberechtigten, nicht nur der tatsächlich Abstimmenden (z.B. Art. 67 I 1 GG). Für eine einfache Zweidrittelmehrheit werden zwei Drittel der tatsächlich abgegebenen Stimmen benötigt (Art. 77 IV 2 GG), für eine absolute Zweidrittelmehrheit wiederum zwei Drittel der an sich Stimmberechtigten (z.B. Art. 79 II GG). 

Namentliche Abstimmung 

Eine Fraktion oder mindestens fünf Prozent der Abgeordneten können verlangen, dass im Bundestag namentlich abgestimmt wird. Dazu werden Stimmkarten mit Namen und Fraktion der Abgeordneten verteilt, wobei blaue Karten für „Ja“ stehen, rote für „Nein“ und weiße für „Stimmenthaltung“. Die Karten werden von den Abgeordneten in Urnen geworfen, ausgezählt und das Ergebnis mit Namensliste im Internet veröffentlicht. Namentliche Abstimmungen werden häufig bei besonders umstrittenen politischen Fragen verlangt, zum Beispiel zur Regelung der Organspende in Deutschland.

Opposition

Die Fraktionen, die den Regierungskoalitionen im Parlament entgegenstehen (lateinisch „opponere“: sich entgegenstellen). Die Opposition übt die demokratisch wichtige Funktion aus, die Arbeit der Regierung zu kontrollieren.

Ordnungsrecht

Der:die Sitzungspräsident:in hat als Leitung von Bundestagssitzungen verschiedene Möglichkeiten, gegen Störungen vorzugehen. Abgeordneten, die die Sitzung zum Beispiel durch Beleidigungen stören, kann ein Ordnungsruf erteilt werden. Verliert ein:e Redner:in im Parlament den Bezug zum eigentlichen Thema, kann ein Sachruf erteilt werden und bei mehrfacher Wiederholung innerhalb einer Debatte auch das Wort entzogen werden. Bei besonders schwerwiegenden Störungen können Abgeordnete für bis zu 30 Sitzungstage von Parlamentssitzungen ausgeschlossen werden.

Petition

Jede:r Bürger:in kann alleine oder gemeinsam mit anderen eine Petition, eine Bitte oder Beschwerde beim Bundestag einreichen (Art. 17 GG). Das Petitionsrecht soll Bürger:innen ermöglichen, Politik zum Beispiel mit Vorschlägen für ein neues Gesetz aktiv mitzugestalten. Alle Anliegen werden vom Petitionsausschuss des Bundestages beraten; er kann dem Bundestag vorschlagen, die Petition an die Bundesregierung weiterzuleiten.

Plenarprotokoll

Alle Sitzungen des Bundestages werden Wort für Wort protokolliert und sind – inklusive Zwischenrufen und Bemerkungen – bereits am nächsten Werktag als PDF-Datei auf der Internetseite des Bundestages verfügbar.

Präsidium

Das Präsidium des Parlaments besteht aus dem:der Bundestagspräsident:in und seinen:ihren Stellvertretenden. In der Regel ist jede Fraktion mit mindestens einem Mitglied im Präsidium vertreten. Dem Parlament kommt die „Leitung des Hauses“ zu, wozu unter anderem Verwaltungs- und Personalangelegenheiten, aber beispielsweise auch Teile der Öffentlichkeitsarbeit gehören.