Das Parlaments-ABC – Teil IV

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Rederecht und Redezeit

Im Plenum des Bundestages dürfen neben den Abgeordneten auch die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates eine Rede halten. Dagegen hat der Wehrbeauftrage des Bundestages bei einem entsprechenden Antrag nicht nur ein Rederecht, sondern muss sogar eine Rede halten, wenn dies von ihm verlangt wird. Daneben kommt es vor, dass außerhalb der regulären Parlamentsdebatten Gastredner:innen zu Wort kommen. Hierbei handelt es sich um sehr seltene, ganz besondere Ausnahmefälle, die vor allem ausländischen Politiker:innen und Gästen etwa bei Gedenkveranstaltungen oder Feierakten zuteilwerden. Die Dauer der Reden ist im Bundestag zeitlich begrenzt und hängt von der jeweiligen Fraktionsgröße ab. Dabei gilt: je größer die Fraktion, desto mehr Redezeit erhält diese. Wie eine Fraktion die ihr zugewiesene Redezeit auf ihre Mitglieder aufteilt, entscheidet sie selbst. Für die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates gelten zwar keine Beschränkungen der Redezeit, da ihnen das Grundgesetz das Recht gibt, sich jederzeit zu einer Debatte im Bundestag zu äußern. Doch hat sich im Laufe der Jahre eine gewisse Praxis im Parlament herausgebildet. Um die Redezeiten zwischen den Fraktionen, die die Regierung stützen bzw. stellen, und den Oppositionsfraktionen möglichst gerecht zu verteilen, werden die Beiträge der Bundesregierung den „Regierungsfraktionen“ angerechnet. 

Regierungsbefragung

Den Abgeordneten steht es frei, in der mittwochs stattfindenden Regierungsbefragung ihre Fragen an die Bundesregierung zu stellen, um umgehend hierzu eine Auskunft zu erhalten. Die Regierungsbefragung beginnt typischerweise mit dem kurzen Bericht eines Regierungsmitglieds, an welchen sich eine kurze (mündliche) Fragerunde der Abgeordneten anschließt. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, dass Abgeordnete monatlich bis zu vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung richten. Die Frage wird zusammen mit der in der Regel nicht länger als eine Woche dauernden Antwort veröffentlicht und ist im Internet auf der Homepage des Bundestages abrufbar. 

Regierungserklärung

In seiner:ihrer Regierungserklärung stellt der:die (neu) gewählte Bundeskanzler:in dem Parlament die zukünftige Politik der Bundesregierung dar. Ihr folgt eine sehr lange, teils mehrere Tage dauernde Diskussion zu allen Punkten der zukünftigen Regierungsarbeit, die meist mit einer großen Auseinandersetzung der die Regierung stützenden Fraktionen und der Opposition einhergeht. Auch wenn es keine Pflicht zur Regierungserklärung gibt, erfolgt sie traditionell zu Beginn einer neuen Wahlperiode. Während der Wahlperiode steht es der Bundesregierung frei, weitere Erklärungen zu aktuellen politischen Themen vor dem Bundestag abzugeben, wie dies zuletzt im Rahmen des Ukraine-Kriegs am 27. Februar 2022 der Fall war. 

Im Gegensatz zur mündlich stattfindenden Regierungserklärung, kann die Bundesregierung auch auf eigene Initiative hin den Bundestag mit einem schriftlichen Bericht unterrichten. Der Bundestag kann außerdem seinerseits die Bundesregierung zur schriftlichen Unterrichtung auffordern. 

Schriftführer:in

Den Debatten im Bundestag steht der sogenannte Sitzungsvorstand vor. Er besteht aus dem:der Bundestagspräsident:in bzw. dem:r jeweiligen Bundestagsvizepräsident:in sowie zwei Schriftführer:innen. Ein:e Schriftführer:in ist ein Mitglied des Bundestages und wird zu Beginn der Wahlperiode in dieses Amt gewählt. Die Gewählten unterstützen den:die sitzungsleitende:n (Vize)Präsident:in bei ihrer Arbeit, indem sie etwa die Redeliste führen oder bei Abstimmungen die Stimmzettel entgegennehmen bzw. die abgegebenen Stimmen zählen. 

Tod von Abgeordneten

Für den Todesfall eines:einer Abgeordneten enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Regelung. Das Bundeswahlgesetz sieht aber für den Regelfall vor, dass ein:e Nachrücker:in über die jeweilige Landesliste der entsprechenden Partei in den Bundestag einzieht. Ist die Landesliste der Partei, welcher der:die Abgeordnete:r angehört hat bereits vollständig ausgeschöpft, dann bleibt der Abgeordnetensitz unbesetzt. Auch für direkt gewählte Abgeordnete ohne Parteizugehörigkeit gibt es eine Sonderreglung. In diesem Fall findet im betroffenen Wahlkreis eine Ersatzwahl statt. Übrigens, die Hinterbliebenen des:der Abgeordneten haben einen Anspruch auf das sogenannte Überbrückungsgeld. Dieses soll den Hinterbliebenen bei der Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse helfen. 

Übergangsgeld

Während das Überbrückungsgeld im Todesfall an die Hinterbliebenen ausgezahlt wird, soll das Übergangsgeld dem:der Abgeordneten bei der Rückkehr in den alten Beruf oder der Aufnahme einer neuen Tätigkeit unterstützen und damit zugleich die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern. Denn während der Ausübung des Abgeordnetenmandats ruht häufig die berufliche Tätigkeit. Die Höhe des Übergangsgeldes bemisst sich nach der Dauer der Parlamentszugehörigkeit und entspricht mindestens vier, maximal aber 18 monatlichen Abgeordnetenentschädigungen (Diäten). 

Überhangmandate

Von sogenannten Überhangmandaten spricht man, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als sie Abgeordnete nach dem Verhältnis der Zweitstimmen in einem Bundesland in den Bundestag schicken kann. Um das Ergebnis der Zweitstimmen möglichst weitgehend zu respektieren gibt es seit dem Jahr 2013 auch noch die sogenannten Ausgleichsmandate. 

Untersuchungsausschuss

Art. 44 GG sieht vor, dass der Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht hat, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der Untersuchungsausschuss dient der Überprüfung der Regierungs- und Verwaltungsarbeit. Dazu kann er Sachverständige beauftragen, Zeugen vernehmen und Akten von anderen öffentlichen Stellen anfordern lassen oder auf die Hilfe von Gerichten und Verwaltungsbehörden zurückgreifen. Das Untersuchungsergebnis wird in einem abschließenden Bericht zusammengefasst und vor dem gesamten Bundestag vorgestellt. In der Gesichte des Bundesrepublik Deutschland gab es eine Vielzahl an Untersuchungsausschüssen. In der jüngeren Vergangenheit beschäftigten sich die Untersuchungsausschüsse des Bundestages unter anderem mit der Abhörpraxis des amerikanischen Geheimdienstes „NSA“, den Morden und Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorgruppe „NSU“, dem „Abgas-Skandal“ der deutschen Automobilindustrie und dem Wirecard-Skandal. 

Vermittlungsausschuss

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat kann nach Art. 77 GG der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden. Dieser wird tätig, wenn er vom Bundesrat, der Bundesregierung oder dem Bundestag angerufen wird und soll, etwa wenn ein Gesetz zwar im Bundestag, nicht aber im Bundesrat eine Mehrheit findet, eine Einigung zwischen den verschiedenen Beteiligten fördern. Er besteht aus 32 Mitgliedern. 16 Mitglieder werden vom Bundesrat und 16 Mitglieder – entsprechend der jeweiligen Fraktionsstärke – vom Bundestag entsandt. Bei der Konsensfindung ist aber zu beachten, dass vom Bundestag abweichende Beschlüsse des Vermittlungsausschusses erneut durch den Bundestag bestätigt werden müssen. Dies garantiert, dass Gesetzesvorhaben nicht im „kleinen Kreis“ abgeändert werden können, sondern der Bundestag seiner Bedeutung als Organ der Legislative entsprechend, stets an allen Gesetzesänderungen beteiligt wird.

Vertrauensfrage

Der:die Bundeskanzler:in kann nach Art. 68 Abs. 1 GG dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen und sich so vergewissern, ob er:sie noch über eine Mehrheit im Parlament verfügt. In der Geschichte des Bundestages ist die Vertrauensfrage insgesamt fünf Mal, zuletzt 2005 von dem damaligen Bundeskanzler Schröder (SPD), gestellt worden. Dabei müssen zwischen dem Antrag des:der Bundeskanzler:in und der Abstimmung 48 Stunden liegen. Verfehlt der:die Bundeskanzlerin die erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so hat es der Bundespräsident in der Hand, innerhalb von 21 Tagen den Bundestag aufzulösen. In dieser Zeit kann der Bundestag seine Auflösung verhindern, wenn er mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine:n neue:n Bundeskanzler:in wählt. Die Vertrauensfrage kann auch mit einer Sachfrage, also einer inhaltlichen, nicht personellen Frage verbunden werden, zum Beispiel bei einer Entscheidung über einen von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf. 

Wehrbeauftragte:r

Art. 45b GG stellt dem Bundestag als Hilfsorgan eine:n Wehrbeauftragte:n zur Seite. Er:sie wird entweder eigenständig oder auf Weisung des Bundestages bzw. seines Verteidigungsausschusses tätig und soll insbesondere die parlamentarischen Kontrolle über die Bundeswehr erleichtern. Soldat:innen können sich mit Anfragen und Bitten an dieses Hilfsorgan wenden und etwa Missstände bei der Bundeswehr melden. Einmal jährlich erstattet der:die Wehrbeauftragte dem Bundestag gegenüber Bericht über den Stand der Streitkräfte. 

Zitierrecht

In Art. 43 Abs. 1 GG gibt unsere Verfassung dem Bundestag und jedem seiner Ausschüsse das Recht, die Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung zu verlangen. Erforderlich hierfür ist aber ein Mehrheitsbeschluss der anwesenden Abgeordneten.