Anmerkung zur Interview-Partnerin: Janna Ringena ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Münster und promoviert im Europa- und Umweltrecht. Ehrenamtlich engagiert sie sich zusätzlich bei GermanZero und ist Mitglied der Lawyers4Future.
Mattis: Liebe Janna, vielen Dank, dass du Dir spontan die Zeit genommen hast, um mit mir über die kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 zu sprechen.
Janna: Sehr gerne. Die Entscheidung ist sowohl für unser Verständnis von Grundrechten allgemein als auch für den Klimaschutz von herausragender Bedeutung. Deswegen freue ich mich über das Interview.
Mattis: Bevor wir über die Entscheidung im Detail sprechen, würde ich mich freuen, wenn du uns noch etwas Kontext geben könntest. Wer ist nach Karlsruhe gezogen und wogegen hat man sich beschwert?
Janna: Tatsächlich hat sich nicht nur eine Person entschieden nach Karlsruhe zu gehen, sondern 35 Einzelpersonen sowie zwei Umweltverbände. Insgesamt haben diese Beschwerdeführer:innen vier Verfassungsbeschwerden erhoben, die sich alle gegen bestimmte Vorschriften des Klimaschutzgesetzes (nachfolgend KSG) richten. Da die Beschwerden sehr ähnliche verfassungsrechtlichen Fragen aufgeworfen haben, hat das Bundesverfassungsgericht alle Beschwerden zusammengefasst und einheitlich beantwortet.
Mattis: Was genau regelt denn das KSG?
Janna: In § 1 KSG heißt es:
„Zweck dieses Gesetzes ist es, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten. […] Grundlage bildet die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris aufgrund der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist, um die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels so gering wie möglich zu halten, […].“
Das KSG setzt also die Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in nationales Recht um. Wie die meisten bestimmt wissen, ist das Pariser Klimaabkommen ein internationaler Vertrag, indem sich erstmals viele Länder der Welt diesem Ziel verschrieben haben.
Um dieses Ziel zu erreichen legt Anlage 2 des KSG für verschiedene Emittenten-Gruppen sogenannte CO2-Budgets fest. In jedem Jahr dürfen diese Gruppen also nur eine begrenzte Menge an CO2 verbrauchen.
Mattis: Für mich klingt es erstmal gut, dass Deutschland Maßnahmen ergreift, um die Klimaziele von Paris einzuhalten. Was hat die Beschwerdeführer:innen denn an dem Gesetz gestört?
Janna: Verkürzt geht das Gesetz den Beschwerdeführer:innen schlicht nicht weit genug. Ihre Sorge ist, dass wir mit dem KSG als Grundlage auf eine Situation zu steuern, in der wir das 1,5-Grad Ziel nicht mehr zu erreichen vermögen und sie damit einhergehend erheblich von den Folgen des Klimawandels betroffen sein würden.
Mattis: Alles klar. Dann weiß ich, weshalb die Verfassungsbeschwerde erhoben wurde. Lass‘ uns doch jetzt über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sprechen. Vielleicht eine etwas technische Frage vorweg. In meiner Recherche habe ich gelesen, dass das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss erlassen hat. Ich dachte Gerichte fällen Urteile. Habe ich da etwas falsch verstanden?
Janna: Gerichte machen beides. Als Oberbegriff kann man sich merken, dass das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen trifft. Entscheidungen können Urteile oder Beschlüsse sein. Der einzige Unterschied ist, dass wenn eine mündliche Verhandlung abgehalten wird, ein Urteil erlassen wird und wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet ein Beschluss.
Die Entscheidung ist aber nicht mehr oder weniger wert, nur weil eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Es ist gar nicht selten, dass auch ohne mündliche Verhandlung alle Informationen, die das Gericht braucht, um zu einer Entscheidung zu gelangen, bereits vorliegen. Um allen Parteien die Arbeit zu erleichtern, kann man dann auf die mündliche Verhandlung verzichten.
Mattis: Danke, dass du das nochmal aufgeklärt hast. Kannst du uns vielleicht auch erklären, wie eine Entscheidung aufgebaut ist? Ich glaube, das erleichtert allen das Lesen, falls sich jemand entschließt, den Beschluss ganz zu lesen.
Janna: Entscheidungen beginnen typischerweise mit einer Sachverhaltsskizze, also dem was die Beschwerdeführenden vorgetragen haben, was die Gegenseite dazu gesagt hat – in unserem Fall war das die Bundesregierung – und welche Stellungnahmen von Dritten dazu abgegeben wurden. Letztendlich dient die Sachverhaltsskizze dazu, die Argumente der streitenden Parteien zu verstehen.
Danach schließt die Bewertung des Sachverhalts durch das Bundesverfassungsgericht selbst an. Diese Bewertung gliedert sich in die sogenannte Zulässigkeit und Begründetheit.
In der Zulässigkeit geht es darum, ob die Beschwerdeführenden Zugang zu ihrem rechtlichen Anliegen erhalten. Das ist nur der Fall, wenn sie bestimmte technische Kriterien erfüllen. So muss man sich z.B. gegen einen hoheitlichen Akt wenden, also ein Gesetz, ein Urteil oder eine Maßnahme der Exekutive. Das nennt man einen tauglichen Beschwerdegegenstand. Ich kann also keine Verfassungsbeschwerde gegen ein mir unliebsames Verhalten meines Nachbarn erheben.
In der Begründetheit setzt sich das Bundesverfassungsgericht dann inhaltlich mit dem Vortrag der Beschwerdeführenden auseinander. Hier bewertet es also die rechtlichen Argumente der Parteien und entscheidet, ob die angegriffene hoheitliche Maßnahme – in unserem Fall das KSG – gegen die Verfassung verstößt oder nicht.
Mattis: Super. Das heißt, wenn es mir primär um die inhaltliche Auseinandersetzung geht, kann ich mich beim Lesen auf die Begründetheit beschränken. Ich weiß aber, dass bei dieser konkreten Entscheidung auch die Zulässigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Deswegen möchte ich dazu noch etwas fragen. Zunächst vielleicht die Frage, wer kann eigentlich Verfassungsbeschwerde erheben?
Janna: In Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG heißt es, dass jedermann eine Verfassungsbeschwerde erheben darf. Das kann man genauso weit verstehen, wie es klingt. Es dürfen also alle Einzelpersonen, aber auch sogenannte juristische Personen, wie z.B. Kapitalgesellschaften, Vereine oder Verbände, eine Verfassungsbeschwerde erheben, wenn sie vortragen, dass sie in ihren Grundrechten verletzt sind.
Mattis: Das Bundesverfassungsgericht kann sich aber nicht, mit jeder behaupteten Grundrechtsverletzung auseinandersetzen, oder? Es sind ja immerhin nur 16 Richter:innen.
Janna: Das ist richtig. Deswegen gibt es, neben dem eben bezeichneten Kriterium des Beschwerdegegenstands, ein weiteres wichtiges Kriterium, das erfüllt sein muss, um die eine Verfassungsbeschwerde erheben zu können und das ist die sogenannte Beschwerdebefugnis.
Mattis: Zu diesem Kriterium hast du erst kürzlich einen Artikel veröffentlicht und verglichen, welche Anforderungen das französische Bundesverwaltungsgericht, der europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht an die Beschwerdebefugnis stellen. Wen dieser Rechtsvergleich interessiert, kann das hier genauer nachlesen. Bleiben wir in Deutschland. Welche Anforderungen stellt denn das Bundesverfassungsgericht an die Beschwerdebefugnis?
Janna: Hinter dem Kriterium versteckt sich die Anforderung an Beschwerdeführende, dass sie durch eine hoheitliche Maßnahme selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sein müssen.
Das bedeutet, dass ein Gesetz mich persönlich und nicht einen Dritten betreffen muss. Außerdem dürfen keine Zwischenschritte notwendig sein, damit ich überhaupt erst betroffen bin. Und letztlich muss mich die hoheitliche Maßnahme bereits jetzt betreffen.
Mattis: Zu welchem Ergebnis ist das Bundesverfassungsgericht in unserer Entscheidung gekommen?
Janna: Es hat festgestellt, dass – zumindest für die 35 Einzelpersonen – die Beschwerdeführer:innen alle durch das KSG betroffen sind, weil sie – wie wir alle – letztlich die Auswirkungen des Klimawandels erfahren werden. Außerdem hat es festgestellt, dass das KSG Regelungen trifft, die unumstößliche Auswirkungen auf die Zukunft haben. Ganz plakativ gesagt: Wenn wir heute unser gesamtes CO2-Budget verbrauchen, dann können wir uns 2030 kein neues Budget kaufen und müssten erhebliche persönliche Einschränkungen hinnehmen, um das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten zu können. Deswegen sind wir durch das KSG bereits jetzt unmittelbar und gegenwärtig betroffen.
Diese Argumentation ist, aus meiner Sicht, eine konsequente Anwendung der Kriterien der Beschwerdebefugnis. Es war aber überhaupt nicht sicher, dass das Bundesverfassungsgericht sich so entscheiden würde. Damit wurde die Tür geöffnet für viele weitere Klimaklagen. Das ist ein Grund, wieso diese Entscheidung so bedeutsam ist.
Mattis: Die Zulässigkeitshürde wurde also von den 35 Einzelpersonen genommen, allerdings nicht von den Umweltverbänden. Deshalb konnte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Begründetheit der Beschwerde auseinandersetzen?
Janna: Genau richtig.
Mattis: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die du aus der Entscheidung herauslesen konntest?
Janna: Es gibt viele sehr wichtige Erkenntnisse, deswegen fällt es mir schwer eine pauschale Antwort zu geben. Vielleicht fangen wir der Reihe nach an. Ein wichtiges Ergebnis der Entscheidung ist die Erhebung des 1,5-Grad-Ziels zu einem Ziel mit Verfassungsrang.
Mattis: Wieso ist das so wichtig?
Janna: Nur weil Deutschland das Pariser Übereinkommen unterzeichnet hat, heißt es nicht, dass unsere Verfassung die Einhaltung des Abkommens vorschreibt. Das hat zur Konsequenz, dass sich das Bundesverfassungsgericht nicht direkt mit dem 1,5-Grad-Ziel auseinandersetzen kann.
Es hat aber festgestellt, dass Art. 20a GG den Staat dazu verpflichtet für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen […] im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung […] zu schützen. Entscheidend ist „durch die Gesetzgebung“. Oben haben wir gesehen, dass § 1 KSG das 1,5-GradZiel in deutsches Recht übersetzt hat. Damit ist der deutsche Gesetzgeber seinem Auftrag aus Art. 20a GG nachgekommen.
Das Deutschland seinen Beitrag dazu leistet, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu reduzieren, ist also über Art. 20a GG Teil seiner Verpflichtung die natürlichen Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu schützen.
Mattis: Das ist ganz schön kompliziert. Aber unterm Strich kann ich mir merken, dass Deutschland verfassungsrechtlich verpflichtet ist, die Lebensgrundlage für spätere Generationen zu schützen. Und wir selbst haben uns das 1,5-Grad-Ziel aufgeben als Teil dieser Verpflichtung.
Janna: Das ist fast richtig. Das 1,5-Grad-Ziel kommt natürlich nicht aus dem Nichts. Es wurde von den unabhängigen Wissenschaftler:innen des Weltklimarats berechnet. Das ist eine Institution der Vereinten Nationen. Wenn wir dieses Ziel erreichen, sind die Folgen des Klimawandels noch vertretbar, um zukünftigen Generationen eine natürliche Lebensgrundlage zu gewähren.
Mattis: Also kann Deutschland von dem 1,5-Grad-Ziel gar nicht mehr abweichen?
Janna: Natürlich könnte das Parlament § 1 KSG verändern. Allerdings müsste sich diese Änderung an Art. 20a GG messen lassen. Wenn wir uns ein 3-Grad-Ziel setzen würden, würde das sicherlich nicht ausreichen, um die natürlichen Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu sichern. Ein solches Ziel würde also gegen unsere Verfassung verstoßen. Nach der Entscheidung steht zumindest fest, dass das 1,5-Grad-Ziel vom Bundesverfassungsgericht als ausreichend erachtet wird, um den Auftrag von Art. 20a GG zu erfüllen.
Mattis: Alles klar. Jetzt wo ich verstanden habe, dass das 1,5-Grad-Ziel verfassungsrechtlich verbindlich ist, stellt sich natürlich die Frage, ob das KSG dieses Ziel erreichen kann?
Janna: Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht implizit verneint. Als Grundlage dient wieder eine Berechnung von unabhängigen Wissenschaftler:innen. Diesmal die Berechnung des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Das ist ein wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung, die basierend auf den Berechnungen des Weltklimarats errechnet haben, wie groß das deutsche CO2-Budget ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der vom KSG vorgesehene CO2-Ausstoß zu einer Situation führen würde, in der Deutschland sein CO2-Budget bereits 2030, also in ca. 8 ½ Jahren, fast vollständig aufgebraucht hätte. Ein Festhalten an dem 1,5-Grad-Ziel wäre dann an drastische Freiheitseinschränkungen ab 2031 gekoppelt.
Für diesen Zeitraum sieht das KSG jedoch keine Regelungen vor. Zwar ermächtigt das Gesetz die Bundesregierung ab 2025 Rechtsverordnungen zu erlassen, um über 2030 hinaus weitere CO2-Budgets zu verteilen. Aber diese Regelung reicht dem Bundesverfassungsgericht nicht aus.
Mattis: Da hast du einen interessanten Punkt angesprochen. Vielleicht können wir den noch etwas vertiefen. Mir drängt sich die Frage auf, wieso es zwingend ist, dass wir 2030 drastische Freiheitseinschränkungen hinnehmen müssen. Meine Grundrechte gelten 2030 ja weiterhin, also bin ich doch vor zu starken staatlichen Eingriffen geschützt oder nicht?
Janna: Auch das ist nur teilweise richtig. Du hast natürlich Recht, wenn du sagst, dass deine Grundrechte auch 2030 noch wirken. Dinge wie in den Urlaub fliegen, Fleisch essen oder ein Auto fahren sind natürlich von deiner allgemeinen Handlungsfreiheit, die sich aus Art. 2 I GG ableitet, geschützt. Aber Grundrechte können mit einer entsprechenden Rechtfertigung eingeschränkt werden. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich u.a. aus einer Abwägung anderen Gütern von Verfassungsrang.
Art. 20a GG ist eine sogenannte Staatszielbestimmung, die wie wir schon besprochen haben, den Staat dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass auch künftige Generationen in Deutschland leben können.
Der Staat kann also in eine Situation durch den fortschreitende Klimawandel gezwungen werden, in der er Fliegen, Fleischkonsum oder Autofahren, also unsere Freiheit, die von Art. 2 I GG geschützt ist, drastisch einschränken muss, um die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen zu sichern. Solche Einschränkungen könnten dann durch Art. 20a GG gerechtfertigt sein.
Genau diese Situation hat das Bundesverfassungsgericht vor Augen, wenn es feststellt, dass das KSG verfassungswidrig ist. Das KSG erlaubt uns heute und bis 2030 zu viel CO2-Verbrauch und wird die Menschen in 2030 dann zwingen, fast kein CO2 mehr zu verbrauchen. Diese Überlegung muss, eben weil die Entscheidung heute zu unumkehrbaren Folgen in der Zukunft führt, bereits jetzt berücksichtigt werden.
Die Berücksichtigung unserer Freiheitsrechte in er Zukunft, nennt das Bundesverfassungsgericht intertemporale Freiheitsrechte.
Mattis: Das ist schon wieder sehr kompliziert. Verstehe ich es richtig, dass über den Gedanken der intertemporalen Freiheitsrechte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, bei der Verteilung unseres endlichen CO2-Budgets die Freiheitsrechte der Bürger heute sowie die Freiheitsrechte aller Bürger morgen zu berücksichtigen.
Janna: So könnte man es ausdrücken. Natürlich müssen wir uns in irgendeiner Form einschränken und neue Wege gehen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Aber diese Einschränkungen sollten wir möglichst gerecht verteilen. Unser Verhalten heute soll eben nicht dazu führen, dass wir morgen vor drastischen Einschränkungen stehen.
Mattis: Ich weiß, dass die Begründetheit der Entscheidung noch viele weitere spannende Punkte enthält. In Anbetracht der Zeit möchte ich mich aber etwas begrenzen. Für mich wäre jetzt erstmal interessant, was als nächstes passiert, jetzt wo das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass das KSG gegen die Verfassung verstößt. Schreiben die Richter:innen in Karlsruhe das Gesetz neu?
Janna: Nein, das kann das Bundesverfassungsgericht nicht tun. Das ist die Aufgabe der Legislative. Grundsätzlich kann das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für nichtig erklären. Das hat es in diesem Fall nicht gemacht, denn dann hätten wir schließlich gar kein KSG mehr, was noch schlechter wäre als die Situation heute. Aber es hat den Gesetzgeber verpflichtet bis zum 31.12.2022 nachzubessern. Bis dahin muss das Gesetz also neu geschrieben sein.
Diese Anweisung wird Berlin sicherlich auch Folge leisten. Bereits jetzt liegt ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, der deutliche schärfere Ziele vorgibt. Allerdings wurde auch dieser Entwurf von u.a. Fridays4Future als nicht ambitioniert genug kritisiert. Es bleibt also spannend.
Mattis: Dann werden wir die Debatte natürlich weiterhin verfolgen. Wir kommen langsam zum Ende unserer Zeit. Gibt es noch etwas Grundsätzliches, dass du zu der Entscheidung sagen möchtest?
Janna: Es gibt noch eine ganze Menge zu der Entscheidung zu sagen. Art. 20a GG hat durch die Entscheidung erheblich an Bedeutung gewonnen. Die vorher seit Jahren geführte Debatte um ein Grundrecht auf Umweltschutz dürfte, meiner Meinung nach, jetzt erstmal ruhen. Das Bundesverfassungsgericht hat gezeigt, dass wir ein solches nicht benötigen.
Aber für mich am bemerkenswertesten ist, dass die technische Hürde der Beschwerdebefugnis überwunden wurde. Ich habe es schon gesagt: Damit ist die Tür geöffnet für weitere Klimaklagen. Klimaschutz ist durch die Entscheidung justiziabler geworden. Das ist eine entscheidende Folge des Beschlusses.
Mattis: Vielen Dank für das Gespräch. Mir hat es viel Spaß gemacht und ich konnte vieles lernen. Das ganze GrundGesetzVerstehen-Team wünscht dir natürlich noch viel Erfolg bei deiner weiteren Promotion.
Janna: Vielen Dank und liebe Grüße an das ganze GrundGesetzVerstehen-Team.