Wenn man eine Talkshow einschaltet, passiert es häufig, dass eine(r) der RednerInnen sich auf eine Wertung aus dem Grundgesetz bezieht. Gerne wird z. B. Art. 1 Abs. 1 GG zitiert, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist. Dieses Zitat kann beliebig als Beweis für oder gegen die neueste politische Entscheidung der Regierung geführt werden. Immer wieder gehen außerdem Menschen mit dem Grundgesetz in der Hand auf die Straße, um ihr Recht auf Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit oder körperliche Unversehrtheit zu verteidigen. Das Grundgesetz scheint also ein unüberwindbares Hindernis zu sein und gleichzeitig so fragil, dass es regelmäßig medienwirksam beschützt oder gar gerettet werden muss.
Die folgenden Blogbeiträge sollen der Frage auf den Grund gehen, was das Grundgesetz eigentlich ist. Dabei sollen möglichst viele Fehlvorstellungen aus dem öffentlichen Diskurs aufgedeckt und richtiggestellt werden.
Das Grundgesetz ist unsere Verfassung. Das heißt, es enthält die allgemeinen Regeln und Werte, die bestimmen, wie wir zusammenleben wollen. Konkret sind im Grundgesetz die Grundrechte und das Staatsorganisationsrecht enthalten.
Grundrechte im Überblick
Grundrechte sind fundamentale Rechte, die jedem Menschen bzw. jedem deutschen Staatsbürger zustehen. Die Grundrechte selbst legen fest, ob sie für alle Menschen (z. B. die Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG) oder nur für deutsche Staatsbürger (z. B. die Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG) gelten. Das nennt man persönlicher Schutzbereich.
Darüber hinaus gewähren uns einzelne Grundrechte bestimmte Rechte. So erlaubt z. B. Art. 5 Abs. 1 GG jedem, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten oder Art. 8 Abs. 1 GG allen Deutschen, sich zu versammeln (mit anderen Worten: zu demonstrieren). Das nennt man sachlicher Schutzbereich.
Damit ein bestimmtes Verhalten (z. B. sich zu versammeln) grundrechtlich geschützt ist, muss sowohl der sachliche als auch der persönliche Schutzbereich von zumindest einem Grundrecht betroffen (man sagt eröffnet) sein.
Bleiben wir bei dem Grundrecht, sich zu versammeln. Jeder Versammlungsteilnehmer hat das grundrechtlich geschützte Recht, an einer Demonstration teilzunehmen. Wenn der Staat eine Demonstration verbietet oder anderweitig beschränkt, nennt man das einen Grundrechtseingriff. Neben dem drastischen Demonstrationsverbot kommt als möglicher Grundrechtseingriff die gesetzliche Auflage in Betracht, eine Versammlung rechtzeitig bei der Stadt anzumelden.
Wie dieses Beispiel zeigt sind Grundrechtseingriffe nicht zwingend so drakonisch, wie es das Wort zunächst vermuten lässt. Staatliche Eingriffe in unsere Grundrechte erleben wir täglich und diese sind nicht selten notwendig, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.
Natürlich darf der Staat unsere Grundrechte nicht grundlos beschränken. Hierfür bedarf es immer einer sog. verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Anforderungen an eine solche Rechtfertigung werden, wie auch schon der Schutzbereich, vom Grundrecht selbst formuliert. Manchmal braucht man ein Gesetz, um einen Eingriff zu rechtfertigen (sog. Gesetzesvorbehalt) und manchmal muss der Staat die Grundrechte mit denen anderer Menschen abwägen und einen fairen Kompromiss finden (sog. praktische Konkordanz). Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist ein kompliziertes Unterfangen, das ganz stark vom Einzelfall abhängig ist. Mit solchen Einzelfällen setzen wir uns in späteren Beiträgen intensiv auseinander.
Staatsorganisation im Überblick
Das Staatsorganisationsrecht regelt, wie der Name schon sagt, den inneren staatlichen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland. So leben wir in einer Demokratie, d. h. ganz Grundsätzlich “Herrschaft des Volkes”. Um diese Herrschaft zu sichern, wird die Macht staatlicher Organe der gegenseitigen Beschränkung und Kontrolle unterworfen. Das nennt man Gewaltenteilung. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. In einer solchen wirken politische Parteien entscheidend bei der politischen Willensbildung der Bürger mit.
Manche Regeln unserer Staatsorganisation sind knapp formuliert, wie z. B. die Wahlgrundsätze in Art. 38 Abs. 1 GG. Hier steht im Grunde in nur einem Satz, wie unsere Wahlen organisiert werden müssen, um mit dem Grundgesetz vereinbar zu sein. Andere Regeln, wie z. B. Art. 77 GG, beschreiben dezidiert, wie ein Bundesgesetz beschlossen werden muss, um verfassungsgemäß zu sein. In späteren Beiträgen werden wir uns mit vielen wichtigen Fragen unserer Staatsorganisation auseinandersetzen.
Fazit
Heute ging es darum, einen Überblick über die Struktur unseres Grundgesetzes zu erhalten. Wir haben gelernt, dass wir in unserem Grundgesetz sowohl unsere Grundrechte als auch Regeln über die Organisation der Bundesrepublik finden. Außerdem wissen wir inzwischen, dass Grundrechte nicht absolut wirken, sondern mit entsprechender Rechtfertigung durch den Staat beschränkt werden können.