Mit dem Tod von Ruth Bader Ginsburg ist eine juristische Koryphäe in den USA verstorben. Die Nominierung von Ginsburgs Nachfolgerin selbst, aber auch das zügige Verfahren hin zu einer etwaigen Ernennung, löste viele Diskussionen in den USA aus. Die hitzige Debatte rund um die Besetzung des Supreme Courts, dem obersten Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten, ist mit Blick auf die Macht dieses Organes nachvollziehbar.
Im Jahr 2020 war auch in Deutschland die Besetzung einer Stelle als RichterIn am Bundesverfassungsgericht im Fokus der nationalen Berichterstattung. Der Name von Ines Härtel, die nach langem Ringen letztendlich nominiert und zur Bundesverfassungsrichterin ernannt wurde, ist aber längst nicht so bekannt wie die Namen ihrer amerikanischen RichterkollegInnen. Dass die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland typischerweise unaufgeregt geschieht und die BundesverfassungsrichterInnen keinen „Promistatus“ haben, ist Teil des Erfolgsmodells des Bundesverfassungsgerichts. Die BürgerInnen der Bundesrepublik können so auf die Objektivität des Gerichts vertrauen und assoziieren mit einer Entscheidung des Gerichts keine politische Agenda. Das trägt zur Akzeptanz der Entscheidungen des Gerichts bei.
Dieser Beitrag erklärt kurz und bündig, warum das Bundesverfassungsgericht so wichtig ist, und wie man hier in Deutschland BundesverfassungsrichterIn wird.
Was macht das Bundesverfassungsgericht?
Das Bundesverfassungsgericht ist ein besonderes Gericht. Gerichte sind Teil der rechtsprechenden Staatsgewalt (sog. Judikative). Genau wie alle übrigen Gerichte ist es unabhängig in seiner Entscheidung. Das heißt, dass z. B. die Bundesregierung als Teil der ausführenden Staatsgewalt (sog. Exekutive) den Gerichten nicht vorschreiben darf, welche Urteile diese fällen sollen.
Das Bundesverfassungsgericht, als höchstes deutsches Gericht, befasst sich nicht mit der Anwendung und Auslegung von „normalen“, sogenannten einfachen Gesetzen. Seine Aufgabe ist ausschließlich die Beantwortung der Frage, ob das Recht, das im Grundgesetz steht, vom Staat korrekt angewendet wurde. Es beeinflusst damit maßgeblich die Reichweite und Kraft unserer Grundrechte.
Dafür bedient sich das Bundesverfassungsgericht unterschiedlicher Arten von Verfahren, die in Artikel 93 GG aufgelistet werden. Einerseits kann ich mich als BürgerIn an das Bundesverfassungsgericht wenden, wenn ich der Überzeugung bin, dass meine Grundrechte durch ein staatliches Handeln verletzt werden, beispielsweise durch ein Gesetz, ein Urteil oder die Entscheidung einer Behörde. Anderseits entscheidet das Bundesverfassungsgericht auch über Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen, wie etwa, wenn sich eine politische Partei gegen auf sie bezogene kritische Äußerungen eines/r BundesministerIn wehrt.
Wie wird man BundesverfassungsrichterIn?
Insgesamt gibt es nur 16 BundesverfassungsrichterInnen. Um hier einen Job zu bekommen, muss man also eine(r) der Besten des Faches sein. Für alle, die diesen Traum haben und alle übrigen Interessierten soll hier kurz zusammengetragen werden, wie man als RichterIn an das Bundesverfassungsgericht berufen wird.
Das Grundgesetz bietet nicht viele Antworten auf die Frage, wie man in Deutschland BundesverfassungsrichterIn wird. Es wird lediglich bestimmt, dass die angehenden RichterInnen je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden müssen. Demnach wird abwechselnd ein(e) RichterIn vom Bundestag und vom Bundesrat bestimmt. Um gewählt zu werden bedarf es einer 2/3 Mehrheit. Ferner dürfen die angehenden RichterInnen nicht Teil der gesetzgebenden Gewalt (sog. Legislative) oder der Exekutive auf Bundes- oder Landesebene sein (Art. 94 Abs. 1 GG). Detailliertere Regelungen zum Bundesverfassungsgericht finden sich im Bundesverfassungsgerichtsgesetz.
Egal, ob vom Bundestag oder vom Bundesrat – um gewählt werden zu können, muss der/die KanditatIn zunächst vorgeschlagen werden. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung haben sich der Bundestag und -rat auf einen Kompromiss geeinigt, der zumeist dafür sorgt, dass die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Politikum wird. Dieser beinhaltet, dass sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat CDU/CSU und SPD abwechselnd einen Kandidaten vorschlagen dürfen. Gelegentlich haben die Parteien ihr informelles Vorschlagsrecht an Bündnis 90/Die Grünen und die FDP abgegeben. Aufgrund der erforderlichen 2/3 Mehrheit müssen die vorgeschlagenen KandidatInnen von mehr als einer Partei getragen werden. Dies zeigt, dass unsere Demokratie auch davon lebt, dass wir in der Lage sind, gesellschaftlich tragfähige Kompromisse einzugehen.
Anders als die Aufstellung der Kandidaten für das Verfassungsgericht in Amerika erfolgt die Kandidatensuche in Deutschland meist im Stillen, damit der Ruf des Kandidaten nicht durch eine öffentliche Debatte über dessen Eignung gefährdet wird. Ein Posten am Bundesverfassungsgericht ist stets auf 12 Jahre beschränkt und unterscheidet sich somit stark von der Amtszeit der RichterInnen des Supreme Courts. Diese werden auf Lebenszeit ernannt und können damit für sehr viele Jahre, gar Jahrzehnte, großen Einfluss ausüben.
Fazit
Das Bundesverfassungsgericht ist eine wichtige Institution im Staats- und Verfassungsgefüge. Es bietet die Möglichkeit, Streitigkeiten, die sich um das Grundgesetz ranken, endgültig zu entscheiden. Denn eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann grundsätzlich nicht mehr angefochten werden. Das Bundesverfassungsgericht genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen in der deutschen Bevölkerung, die es sich durch seine Entscheidungen und nicht durch seine prominente Besetzung verdient.